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Was ist Fragilität? Was fällt uns ein, wenn wir an dieses Wort denken? Oft wird es mit Mitleid und Schmerz verbunden. Fragilität ist etwas, das leicht zerbrochen werden kann, sie ist ein prekäres Gleichgewicht. Niemand möchte sich in diesem Wort wiedererkennen. In Wirklichkeit ist die Fragilität ein kennzeichnendes Merkmal der menschlichen Natur. Denken wir an unseren Planeten aus der Perspektive des Universums: wir sind ein winziger Punkt mitten in der Unendlichkeit. Wir existieren dank eines sehr zerbrechlichen Gleichgewichts von Zufällen. Die Menschheit ist fragil. Wir sind fragil. Es stimmt auch, dass Fragilität unterschiedliche Nuancen haben kann. Bei angstvollen Personen zeichnet sich die Fragilität durch Empfindlichkeit und einem Gefühl von Unangemessenheit aus. Sollte andererseits ein paranoider Wahn im Vordergrund stehen, hat die Fragilität eher abwehrende oder impulsartige Eigenschaften.

Alessandro D’Avenia erzählt in seinem Buch "L’arte di essere Fragili" das Leben des italienischen Schriftstellers Giacomo Leopardi, der das menschliche Leiden mit der Wahrnehmung aller Fragilitäten genau  beschreiben hat. Für Leopardi waren die Freundschaften und echte und erwiderte Beziehungen die einzige Erleichterung vom Leiden. Deshalb hat die Fragilität anderer Personen auch mit unserer eigenen Fragilität, mit unseren Grenzen und unserer Empathie zu tun.
Indem wir uns in unserer eigenen Fragilität erkennen und reflektieren, entdecken wir unsere Menschlichkeit und in dieser unser Einfühlvermögen und unsere Fähigkeit, für andere zu sorgen. Die Gesellschaft neigt dazu, Fragilität auszuschließen oder sogar zu beseitigen. Ich glaube jedoch, dass es an uns allen liegt, des Wertes der Fragilität bewusst zu werden. Ich bin auch der festen Überzeugung, dass dem Sachwalter eine sehr wertvolle Aufgabe übertragen wird, nämlich die Aufgabe, die Fragilität wieder in die Gesellschaft einzuordnen und die Menschen am Rande der Gesellschaft wieder zu integrieren, sie zu schützen und ihnen die Würde zu garantieren, die sie auch verdienen.
 

Dr. Elisa Tommasello